Pressemitteilung vom 15. April 1999

Das UFZ mit "Plastik" aus der Bakterienzelle auf der Hannover Messe 1999

Das UFZ-Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbH präsentiert im Rahmen des Gemeinschaftsstandes der Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren (HGF) (Halle 18, Stand EG E12) zum einen Methanomer, einen umweltfreundlichen Kunststoff, der biologisch erzeugt wird, biologisch abbaubar ist, nach Maß geschneidert werden kann und vor allem in der Medizintechnik Anwendung finden soll.

Zum anderen stellt das UFZ ein Modell zur Untersuchung der Gaswanderung in Böden aus, den sogenannten Gas-Migrations-Simulator (GAMS). Mit dem GAMS kann zum Beispiel die Migration von Deponiegasen durch deren Oberflächenabdichtung oder die Radonmigration in Böden simuliert und untersucht werden.

"Plastik"aus der Bakterienzelle: Methanomer - Ein Biopolymer nach Maß

Es gibt Mikroorganismen, die die Eigenschaft besitzen, innerhalb ihrer Zellen Polymerverbindungen anzureichern. Diese bakteriell erzeugten "Biopolymere" haben gegenüber chemisch synthetisierten Kunststoffen wie Polyethylen (PE) oder Polyvinylchlorid (PVC) den Vorteil, dass sie biokompatibel und durch Mikroorganismen abbaubar sind. Produkte aus Biopolymeren können also kompostiert werden und zerfallen letztendlich rückstandsfrei zu Kohlendioxid und Wasser.

Ein Beispiel für ein solches Biopolymer ist die Polyhydroxybuttersäure, kurz PHB (Produktname Methanomer). Sie kann, wie herkömmliche Kunststoffe, zu Folien, Membranen, Fasern und Presskörpern mit vielfältigen Einsatzmöglichkeiten verarbeitet werden. Die Vermarktbarkeit von PHB wird bislang dadurch eingeschränkt, dass ihre Produktion im Vergleich zur chemischen Synthese konventioneller Kunststoffe zu kostspielig ist. Dies gilt zumindest für Massenprodukte. Ein Kilogramm mikrobiell erzeugter PHB kostet zur Zeit mindestens 13,50 DM und ist damit fünf bis sieben mal teurer als herkömmlicher Kunststoff. Shampooflaschen oder ölkanister aus PHB sind daher im Supermarktregal nach wie vor die Ausnahme.

Anders sieht es bei speziellen Anwendungen in der Medizin aus, wo für Implantate, Nägel, Naht- und Verbandsmaterial oder Arzneikapseln aus biogener PHB eine Marktnische besteht. Hier sind die spezifischen Eigenschaften - allen voran die Verträglichkeit und Abbaubarkeit im menschlichen Körper - und nicht die Kosten das entscheidende Kriterium. Speziell für solche medizinischen Zwecke haben Wissenschaftler des UFZ-Umweltforschungszentrums Leipzig-Halle GmbH ein Verfahren entwickelt, aus Methan eine qualitativ hochwertige PHB zu produzieren.

Im Hinblick auf andere Einsatzmöglichkeiten für PHB (z.B. Beschichtung von Einweggeschirr aus Stärke) wird außerdem versucht, die Produktion wesentlich energie- und rohstoffsparender zu machen - also billiger.

Hier das Verfahren:

Biogas aus organischen Abfällen oder nachwachsenden Rohstoffen, das 60 bis 80 Prozent Methan enthält, stellt das Ausgangsprodukt dar. Bakterien verwandeln das Methan in PHB. Im Gegensatz zu anderen Verfahren sind sterile Arbeitsbedingungen hierbei nicht erforderlich, was erheblich Kosten spart. Die Produktionszeit liegt bei nur 24 Stunden, die Produktivität bei circa 2 Gramm PHB pro Liter und Stunde. Das Abwasser, die Restbiomasse und die Abwärme werden zurück in die Biogasanlage geleitet. Die Fermentationsabgase liefern Wärme bzw. elektrische Energie. Die Kreislaufführung und die Integration von Biogaserzeugung und -verwertung für Stoff- und Energieproduktion macht den Prozess hoch effizient. Dabei lassen sich die Produkteigenschaften nach Bedarf durch Steuerung der Milieubedingungen für die Bakterien variieren.

Das UFZ kooperiert mit der Universität Rostock (Biomedizinische Fakultät). Methanomer wird hierbei zur Herstellung von verschiedenen Implantaten für den Weichgewebeeinsatz verwendet und die entsprechenden Produktmuster derzeit optimiert.

Das UFZ sucht Kooperationspartner für verschiedenste weitere technische und medizinische Anwendungen.

Untersuchung der Gasmigration in Böden: Der Gas-Migrations-Simulator

Das Verständnis von Gasmigrationsprozessen in Böden ist in vielen Bereichen der umweltorientierten Geowissenschaften von großer Bedeutung. Bodenforscher und Analytiker des UFZ-Umweltforschungszentrums Leipzig-Halle GmbH entwickelten eine Anlage, die es ermöglicht, großräumige Gasmigrationen im Untergrund zu untersuchen. Der Gas-Migrations-Simulator (GAMS) erlaubt es, für die Gasmigration relevante bodenphysikalische, bodenchemische und meteorologische Parameter definiert vorzugeben bzw. zu bestimmen. So können deren individuelle Einflüsse auf die Bodengasmigration quantitativ beurteilt werden. Randeffekte, die in der Regel bei Laborversuchen auftreten, werden aufgrund der Dimension der Neuentwicklung vernachlässigbar gering.

dem GAMS kann zum Beispiel die Migration von Deponiegasen durch deren Oberflächenabdichtung oder die Radonmigration in Böden simuliert und untersucht werden.

Untersuchung der Radon-Migration im Boden

Ein spezielles Anwendungsbeispiel am UFZ ist die Untersuchung der 222Radon-Migration[*] im Boden. Ein weitverbreitetes Problem bei der Einschätzung alter Industriestandorte hinsichtlich des von ihnen ausgehenden Gefährdungspotentials sind Kontaminationen des Untergrundes durch nichtwässrige Flüssigphasen (Non-Aqueous-Phase-Liquids = NAPLs). Zur Erkundung von NAPL-Schadensherden werden herkömmlicherweise Rammkernsondierungen abgeteuft oder Grundwassermessstellen errichtet. Dort entnommene Proben werden im Labor auf relevante organische Schadstoffgruppen untersucht. Erfahrungen aus der Praxis haben jedoch gezeigt, dass durch die limitierte Anzahl an Aufschlüssen und deren Positionierung allein anhand oberirdisch erkennbarer Indizien die Ausdehnung der unterirdischen Kontamination oft nur unzureichend eingegrenzt werden kann. Da bekannt ist, dass die 222Radon-Konzentration in der Bodenluft durch derartige Kontaminationen des Untergrundes beeinflusst wird (Einsatz bei der Erdölexploration), stellten sich Wissenschaftler des UFZ die Aufgabe, diesen Zusammenhang zu nutzen, um ein innovatives Verfahren zur orientierenden Erkundung großräumiger NAPL-Kontaminationen zu entwickeln.

Der GAMS ermöglicht es aufgrund seiner Ausmaße und seines Designs, Messdaten zur 222Radon-Migration zu erheben, die in ihrer Qualität denen von in-situ-Messungen entsprechen. Gleichzeitig können die bei in-situ-Messungen häufig unbekannten oder nur schwer ermittelbaren natürlichen Parameter, die den 222Radon-Gehalt der Bodenluft und die 222Radon-Migration beeinflussen, definiert vorgegeben bzw. exakt bestimmt werden. Dazu gehören Luftdruck, Windgeschwindigkeit, Luft- und Bodentemperatur, Bodenfeuchte, Gaspermeabilität und Porosität des Bodens, Emanationsverhalten der Bodenmatrix, Bodenversiegelung und Grundwasserstand. Durch gezielte Steuerung dieser veränderlichen Parameter können deren individuelle Einflüsse besser verstanden und eingeschätzt werden. Da der GAMS gleichzeitig eine gezielte Kontamination der Bodensäule mit NAPLs zulässt, werden Aussagen zur Beeinflussung des 222Radon-Haushaltes eines Bodens durch NAPL-Kontaminationen möglich.

[* Radon ist ein natürlich vorkommendes, radioaktives Edelgas. Es sind bis heute drei natürliche und 23 künstliche Isotope des Radons bekannt. Das Isotop 222Radon hat mit 3,8 Tagen die längste Halbwertszeit.]