Erste Erfolge des Weltbiodiversitätsrates nicht ausbremsen

Ein Standpunkt von Dr. Carsten Neßhöver


Vom 22. bis 28. Februar fand in Kuala Lumpur das vierte Plenum des Weltbiodiversitätsrates IPBES statt – für das 2012 gegründete Gremium ein wichtiger Meilenstein. Lange hatten die heutigen 125 Mitgliedsstaaten an der Einrichtung von IPBES gearbeitet, um die Wissensgrundlagen für ihr Handeln zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt zu verbessern. Nun stand – neben zahlreichen anderen Themen – die Verabschiedung des ersten großen inhaltlichen Berichts auf der Agenda. Der befasst sich mit der globalen Lage der Bestäuber: Was leisten Bienen, Hummeln, Schmetterlinge und Käfer für die Landwirtschaft und die Ökosysteme der Erde? Was führt zu ihrem Verlust? Wie können wir gegensteuern?

Die Verabschiedung des Berichts ist ein großer Erfolg. Die Verfasser haben es nicht nur geschafft, das weltweit aktuell verfügbare Wissen zum Zustand und zur Rolle von Bestäubern erstmalig in dieser Tiefe und Breite zusammenzufassen. In einem aufwendigen Prozess, bei dem um jede Zeile gerungen wurde, ist es ihnen auch gelungen, sich mit über einhundert Regierungsvertretern aus aller Welt auf eine Zusammenfassung für Entscheider zu einigen: Diese etwa 30 Seiten gelten nun als wissenschaftlich und politisch akzeptiertes Wissen.
Wissen, das nicht nur auf Erkenntnissen aus der Wissenschaft beruht, sondern das auch von Vertretern der Praxis (u.a. der Industrie) und vor allem auch von indigenen Völkern eingebracht wurde – ein weitgehend neuer Ansatz und eine Herausforderung für alle Beteiligten, die sie sehr gut gemeistert haben.

Ernüchternd dagegen ist, dass parallel zum Erfolg der IPBES-Prozess gleich wieder ausgebremst wird: Denn die Verantwortlichen der Mitgliedsstaaten haben es nicht geschafft, das Budget von zirka zehn Millionen US-Dollar pro Jahr bereitzustellen, das für die Bearbeitung einiger weiterer, bereits geplanter Themen, zum Beispiel zum Umgang mit gebietsfremden, eingeschleppten Arten, notwendig gewesen wären. Ferner wird überlegt, die Anzahl der Autoren pro Bericht zu reduzieren, um weitere Reisekosten zu sparen. Man könnte auch sagen: Die Politik bedankt sich für die Bereitschaft zur unentgeltlichen Mitarbeit mit Mehrarbeit. Dabei ist die Anerkennung der Arbeit der Autorinnen und Autoren solcher Berichte – das können schnell 30 Prozent der Arbeitszeit in einem Jahr sein – ohnehin schon bescheiden. Dass man mit einer noch höheren Arbeitslast die Bereitschaft sich einzubringen fördert, ist eher unwahrscheinlich. Nicht zuletzt könnte damit auch die Qualität der Produkte leiden – eines der Merkmale, die bei Gremien wie dem IPBES zum Selbstverständnis gehören.
Das unzureichende Budget betrifft auch die Vermittlung der Ergebnisse – gerade einmal 275.000 US-Dollar pro Jahr sind hierfür vorgesehen. Das birgt die Gefahr, dass die Erkenntnisse wieder einmal nicht wesentlich über den Kreis der ohnehin Interessierten hinauskommen. Welches Potenzial die Themen haben, zeigt der Bestäuberbericht mit über 800 internationalen Presseberichten allein am ersten Tag nach der Veröffentlichung.

Der Unwillen, ein Gremium wie IPBES adäquat zu finanzieren, deutet auch auf ein langwieriges Problem der internationalen Biodiversitätspolitik hin: Die Rückübersetzung des global ermittelten Handlungsbedarfs und von Handlungsoptionen in nationale Empfehlungen erfolgt nur unzureichend, und Ideen zum Handeln gehen in den nationalen Politikmechanismen einfach verloren. Sir Bob Watson, der neue Vorsitzende von IPBES, sagte auf der Pressekonferenz zum Bestäuberbericht, dass dieser in alle Ministerien eines Landes vermittelt werden muss. Doch ohne das notwendige Personal und die finanziellen Mittel wird das nicht funktionieren, da helfen auch keine noch so fortschrittlichen globalen Gremien weiter. Anders als beim Klimawandel, bei dem sich neue Koalitionen der lokalen und nationalen Umsetzung schon länger entwickeln, fängt das bei Fragen des Naturschutzes gerade erst an. Zu sehr sind die Kampflinien etwa zwischen Naturschutz und Landwirtschaft eingefahren, trotz vielfältiger Versuche, diese aufzulösen. IPBES kann hierzu wichtige Anstöße geben – die Mitgliedsstaaten müssen ihm dafür aber Raum und Finanzen für seine Arbeit geben sowie die Mitarbeit exzellenter Experten sichtbar wertschätzen. Der nationalen und lokalen Umsetzung seiner Ergebnisse sollte dabei ebenso Aufmerksamkeit zukommen wie dem Feiern exzellenter Studien. Sonst gibt es nur weitere Stapel Papier zwischen Wissenschaft und Politik.

März 2016