Im Fokus | März 2024

Fragen und Antworten zur aktuellen Wassersituation in Deutschland

Überschwemmte Flächen in Brandenburg in Deutschland im Winter 2023 / 2024. Foto: Doris Wolst/UFZ

Seit 2018 hatte Deutschland mit einer mehrjährigen Dürre zu kämpfen. Sehr nasse Herbst- und Wintermonate veränderten 2023/2024 die Situation. Vor allem im Nordwesten Deutschlands führten sie Anfang des Jahres 2024 sogar zu Hochwasser. Jetzt, im März, ist das Hochwasser vorbei, die Böden sind weiter pitschnass. Daraus ergeben sich viele Fragen, etwa im Hinblick auf das Ende der mehrjährigen Dürrephase, deren Folgen und die Prognosen für das weitere Jahr.

UFZ-Expertinnen und -Experten verschiedener Fachrichtungen beantworten für Sie in kurzen Statements Fragen zur aktuellen Wassersituation in Deutschland.


11. März 2024: Ist die Dürre vorbei?

Die Dürre ist eine statistische Einordnung der aktuellen Situation. Was man dazu wissen muss: Die Bodenfeuchte hat einen Jahresgang. Es ist vollkommen normal, dass vor allem der Boden auf dem obersten halben Meter im Winter sehr nass wird – teilweise so nass, dass er kein zusätzliches Wasser mehr aufnehmen kann. In den Sommer hinein trocknet der Boden dann jedes Jahr von oben nach unten aus.

Die Dürre-Informationen rechnen den Jahresgang heraus. Beispiel Juli 2023: Man ordnet die aktuelle Situation (Juli 2023) in die vergangenen Juli-Situationen zurück bis ins Jahr 1951 ein. Erst wenn es so trocken ist, wie man es statistisch alle fünf Jahre erwarten würde, ist es eine Dürre. Die verschiedenen Dürreklassen sind dann zehn-, zwanzig-, und fünfzigjährliche Ereignisse.

Eine ausführliche wissenschaftliche Erläuterung zur Dürre als Abweichung vom langjährigen Erwartungswert ist auf der Website des UFZ-Dürremonitor im Akkordeon „Was bedeutet Dürre“ unter den drei Karten (Gesamtboden, Oberboden und pflanzenverfügbares Wasser) zu finden.

Der UFZ-Dürremonitor liefert täglich flächendeckende Informationen zum Bodenfeuchtezustand des Gesamtbodens (1,80 Meter Tiefe), des Oberbodens (25 Zentimeter Tiefe) und des pflanzenverfügbaren Wassers in Deutschland. Grundlage sind Simulationen mit dem am UFZ entwickelten mesoskaligen hydrologischen Modell mHM. Im mHM-Modellsystem werden deutschlandweit Bodenart, Bodentiefe, Bodenporosität, Höhenmodell, Hangneigungen, Landnutzungen (Acker, Weide, Wald, …), Flüsse und die Bewegung des Niederschlagswassers (Abfluss, Versickerung) abgebildet. Das Modell wird jede Nacht mit dem Wetter als Eingangsdaten gefüttert. Das sind Daten von 2.500 Messstationen des Deutschen Wetterdienstes. Diese werden qualitätskontrolliert und auf die Fläche interpoliert. Das hydrologische Modell liefert dann eine Karte der Bodenfeuchte in unterschiedlichen Tiefen. Die Karte wird genutzt, um einzuschätzen, wie trocken es ist, ob eine Dürre im Boden vorhanden ist oder nicht und wenn ja, in welcher Stärke (5 Trockenklassen von (1) ungewöhnlich trocken über (2) moderate Dürre, (3) schwere Dürre, (4) extreme Dürre bis (5) außergewöhnliche Dürre). Dann erfolgen die Visualisierung und die Bereitstellung im Internet auf der Webseite des UFZ-Dürremonitor.
 

Das Jahr 2023 und der Winter 2023/2024 waren praktisch in ganz Deutschland überdurchschnittlich regenreich, allerdings mit einem West-Ost-Gefälle. Je weiter östlich, desto geringer fiel dieser Überschuss aus. In einigen Regionen habe die Böden dort zudem hohe Ton- und Lehmanteile mit geringen Versickerungsgeschwindigkeiten. Folglich sind regionale Unterschiede in der Dürregenese zu erwarten und zu berücksichtigen.

Aktuell (Mitte März 2024) gibt es nach der allgemein gültigen Dürre-Definition laut UFZ-Dürremonitor einzelne regionale Trockenheiten bis 60 cm Bodentiefe, aber keine Dürre mehr. Dürrebedingungen werden nur noch für den Gesamtboden bis maximal zwei Meter Tiefe in wenigen Landesteilen detektiert (siehe Referenzen).

Der Boden ist dabei ein Kompartiment im Wasserkreislauf; Dürren können hydrologisch außerdem das Grundwasser, die Wasserstände in Flüssen, Seen und Talsperren betreffen.

Neben dem Bodenwasser haben sich auch die Grundwasserstände nach fünf unterdurchschnittlichen Jahren in den oberflächennahen Grundwasserleitern erholt und erreichen teilweise sogar neue Höchststände. Im Kontrast dazu sind die Pegel in den tieferen Grundwasserkörpern vieler Regionen Deutschlands noch deutlich unter den langjährigen Mittelwerten. Zugleich gibt es Messstellen, die nur sehr geringe Reaktionen sowohl auf den regenreichen Winter 2023/2024 als auch auf die vorangegangenen trockenen Jahre zeigen. Das verdeutlicht, dass die Grundwasserneubildung nicht in allen Grundwasserkörpern und Grundwasserstockwerken gleich verläuft und nicht allein aus dem lokalen Niederschlag und dem Feuchtezustand des Bodens abgeleitet werden kann.

Auch die Wasserstände einiger ausschließlich vom Grundwasser gespeister Seen haben sich aufgrund der langen Fließzeiten des Wassers im Untergrund noch nicht wieder erholt. Ein Beispiel dafür ist der Seddiner See in Brandenburg, dessen Wasserstand in den letzten Monaten zwar wieder um 40 cm gestiegen ist, aber im März 2024 immer noch 110 Zentimeter unter dem Wert vor 2017 liegt (siehe Referenzen).

Die hohen Niederschläge Ende Dezember/Anfang Januar trafen vielerorts auf bereits mit Wasser gesättigte Böden, was zu teils großflächigen und lange anhaltenden Überschwemmungen führte, mit regionalen Schwerpunkten in Norddeutschland, insbesondere Niedersachsen sowie Sachsen-Anhalt, Thüringen und Nordrhein-Westfalen. Dabei handelte es sich aber um ein in unseren Breiten nicht untypisches Winterhochwasser. Diese entstehen, wenn durch langanhaltende Niederschläge bei wenig Verdunstung zunächst der Oberboden mit Wasser gesättigt wird und dadurch ein ungewöhnlich großer Anteil des Niederschlags direkt abfließt und das Hochwasser bildet.


Referenzen:

UFZ-Dürremonitor (https://www.ufz.de/index.php?de=37937)

Ralf Merz et al 2020. The flood cooking book: ingredients and regional flavors of floods across Germany. Environ. Res. Lett. 15 114024
https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/abb9dd

Pegelstände für Oberflächengewässer und Grundwasser sind bspw. über die Umweltämter der Bundesländer abrufbar, zum Beispiel:

https://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/wasser/guq-messungen#karte
https://www.grundwasserstandonline.nlwkn.niedersachsen.de/Start
https://www.wasser.sachsen.de/grundwasserstaende.html
https://lfu.brandenburg.de/lfu/de/aufgaben/wasser/fliessgewaesser-und-seen/quantitative-gewaesserkunde/hydrologische-wochenberichte/
https://www.gkd.bayern.de/
https://antares.thueringen.de/cadenza/
 

Es gibt Langzeitfolgen der Dürre, die noch sehr viel länger als im Boden über Monate und Jahre wirksam und spürbar sein werden.

Nach flächenhaften Schäden von Fichten in den „Industriewäldern“ der Mittelgebirge durch Dürre und in Folge durch Borkenkäfer und Pilzbefall seit 2018 werden jetzt weitere Waldschäden immer sichtbarer. Dabei sind die Mortalitätsraten von durchschnittlich ca. 0.25 % bis 2018 bei Nadelbäumen auf über 2 %, und bei Laubbäumen auf 0,75 % angestiegen. Die Kronenverlichtung von Laubbaumarten erreichte im Jahr 2020 den schlechtesten Wert seit Beginn der systematischen Erhebungen Anfang der 1980er Jahre und betrifft alte Bäume. Auch wenn dafür ein Ursachenkomplex unterschiedlicher Faktoren verantwortlich gemacht wird, spielen die Wasserversorgung der Bäume und Dürreperioden im Waldboden dabei eine wichtige Rolle.

Es sind in Deutschland zwischen 2018 und 2019 über 500.000 ha Wald abgestorben, überwiegend Nadelwälder in den Mittelgebirgen, aber auch Laubmischwälder sind stark geschädigt. Im Harz sind laut UFZ-Waldzustandsmonitor beispielsweise ca. 80 % des Nadelwaldes stark geschädigt oder abgestorben. Insbesondere die Mitte Deutschlands (Sächsische Schweiz, Harz, Thüringer Wald, Sauerland) ist betroffen. In ihren Einzugsgebieten verändert sich dadurch der Wasserhaushalt und damit das Verhältnis von Verdunstung, Speicherung und Abfluss. Zusätzlich wird die Wasserqualität verändert, weil erhöhte Mengen an Mineralien und Nährstoffen ausgewaschen werden. Es ist zu beobachten, dass dies allmählich beginnt, und es ist zu erwarten, dass dies viele Jahren andauern wird – bis sich eine neue Waldvegetation etabliert hat. Fließgewässer mit Einzugsgebieten in abgestorbenen Waldbeständen können in dieser Phase Nitratkonzentrationen erreichen wie die in Agrarlandschaften mit künstlicher Düngung. Auch die Anfälligkeit gegenüber Bodenerosion mit entsprechenden Stoffeinträgen steigt. Dies hat entsprechende Auswirkungen auf die Wasserqualität der Flüsse, insbesondere aber auf Talsperren in solchen Einzugsgebieten, in denen die Gefahr schädlicher Algenblüten steigt.

Gewässereinzugsgebiete und Fließgewässer verlieren in Dürreperioden in erheblichem Umfang ihre Rückhaltekapazität für Nährstoffe wie Stickstoff. Insbesondere in landwirtschaftlichen Nutzflächen werden während Dürrezeiten in den trockenen Böden natürliche Abbaupotenziale verringert und dadurch Nährstoffvorräte aufgebaut, die in den anschließenden Niederschlagsperioden wieder ausgewaschen werden können. Sie gelangen dann auf langen Fließwegen über die Flüsse in Seen, Talsperren, die Küsten und die Meere. Auf diesem Weg können sie zusammen mit den ohnehin immer noch zu hohen Nährstoffeinträgen aus anderen Quellen zu den regelmäßig auftretenden Algenblüten (Eutrophierung) in vielen Gewässern beitragen, auch wenn die Dürre länger zurück liegt.

Durch die ungewöhnliche Dürre sind zudem vermehrt Kleingewässer schon im Frühjahr ausgetrocknet, die in den Jahren zuvor permanent oder bis in den Sommer hinein Wasser führten. Dieser Trockenstress schädigt nicht nur die permanent im Wasser lebenden Tiere wie Fische, sondern hat auch zu einem Rückgang von Amphibienpopulationen geführt, die in ihrer Entwicklung auf ausreichend temporär wasserführende Kleingewässer angewiesen sind. Ob und wie schnell sich die Bestände erholen, müssen zukünftige Untersuchungen zeigen.

Und nicht zuletzt sind die ökonomischen Folgen zu nennen. So wurden die extremwetterbedingten Schäden durch Hitze, Dürre und Hochwasser in einer aktuellen Studie für Deutschland in den Jahren 2018-2021 auf über 80 Mrd. € (20 Mrd. €/Jahr) geschätzt (siehe Referenzen). Diese Kosten werden private und öffentliche Haushalte sowie viele Wirtschaftsbetriebe noch lange belasten.

Neben diesen Auswirkungen auf Wasserkreislauf, Landschaft und Naturräume hat die Dürre unsere Sichtweise auf den Klimawandel verändert. Die Probleme durch Extremereignisse sind greifbarer geworden und die Sensibilisierung unserer Gesellschaft darüber, dass Anpassungsmaßnahmen, Reaktionspläne und Sicherungsmaßnahmen notwendig sind, wächst.


Referenzen:

UFZ-Waldzustandsmonitor: https://web.app.ufz.de/waldzustandsmonitor/

Waldzustandserhebung 2022:
https://www.bmel.de/DE/themen/wald/wald-in-deutschland/waldzustandserhebung.html

Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) (2022). Extremwetterschäden in Deutschland seit 2018. Berlin, 8 Seiten.
Klimawandelfolgen Deutschland - Kurzusammenfassung Extremwetterschäden

Kong, X., Ghaffar, S., Determann, M., Friese, K., Jomaa, S., Mi, C., Shatwell, T., Rinke, K., Rode, M. (2022). Reservoir water quality deterioration due to deforestation emphasizes the indirect effects of global change. Water Res. 221, art. 118721

Yang, X., Zhang, X., Graeber, D., Hensley, R., Jarvie, H., Lorke, A., Borchardt, D., Li, Q., Rode, M. (2023). Large-stream nitrate retention patterns shift during droughts: seasonal to sub-daily insights from high-frequency data-model fusion. Water Res. 243 , art. 120347

Winter, C., Nguyen, V.T., Musolff, A., Lutz, S.R., Rode, M., Kumar, R., Fleckenstein, J.H. (2023): Droughts can reduce the nitrogen retention capacity of catchments. Hydrol. Earth Syst. Sci. 27 (1), 303 – 318

Chiacchio, M., Mazoschek, L., Vershinin, V., Berzin, D., Partel, P., Henle, K., Grimm-Seyfarth, A. (2022): Distant but similar: Simultaneous drop in the abundance of three independent amphibian communities. Conserv. Sci. Pract. 4 (11), e12835

Wirth, C., Engelmann, R.A., Haack, N., Hartmann, H., Richter, R., Schnabel, F., Scholz, M., Seele-Dilbat, C. (2021): Naturschutz und Klimawandel im Leipziger Auwald : ein Biodiversitätshotspot an der Belastungsgrenze. Biodiversity conservation and climate change in the floodplain forest of Leipzig. Biologie in unserer Zeit 51 (1), 55 - 65.
https://www.biuz.de/index.php/biuz/article/view/4107

Schnabel, F., Purrucker, S., Schmitt, L., Engelmann, R.A., Kahl, A., Richter, R., Seele-Dilbat, C., Skiadaresis, G., Wirth, C. (2022): Cumulative growth and stress responses to the 2018–2019 drought in a European floodplain forest. Glob. Change Biol. 28 (5), 1870 - 1883.
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/gcb.16028
 

Durch die gefüllten Wasserspeicher ist die Dürregefahr für den Boden in diesem Jahr geringer als in den Vorjahren einzuschätzen. Durch den Persistenzeffekt gilt dies für den Gesamtboden, nicht aber für den Oberboden oder das pflanzenverfügbare Wasser.

Auch die Grundwasserstände zeigen nach dem regenreichen Winter 2023/2024 an vielen Messstellen, vor allem in oberflächennahen Grundwasserkörpern, deutliche Zeichen des Ansteigens der Wasserstände teils bis in den Bereich der langjährigen, mittleren Höchststände. Tiefere Grundwasserleiter reagieren jedoch oft weniger stark und zeitlich deutlich verzögert auf höhere Niederschläge und den damit verbundenen Anstieg der Infiltration von Wasser in den Boden. Eine belastbare Aussage über die mittel- und langfristige Entwicklung der Wasserstände in diesen Grundwasserleitern ist daher im Moment nur eingeschränkt möglich und hängt vom weiteren Verlauf der Niederschläge und Temperaturen ab.

Hohe Füllstände können für die Talsperren, insbesondere die Trinkwassertalsperren, verzeichnet werden. Bei vielen Anlagen haben sich Wasserstände am sogenannten Stauziel eingestellt, die in den Dürrejahren nicht mehr erreicht werden konnten. Das ist ein sehr guter Ausgangspunkt, falls die Verhältnisse im Sommer wieder trocken und heiß werden.

Konkretere Aussagen oder gar Vorhersagen zur Entwicklung der Wassersituation sind für die nächsten Wochen oder Monate wissenschaftlich fundiert nur bedingt und mit entsprechenden Unsicherheiten möglich (siehe Referenzen). Valide Anhaltspunkte gibt das Sub-seasonal Hydroclimatic Forecasting System des UFZ.

Es ist auch in der aktuellen Situation nach einer niederschlagsreichen Periode geboten, die einschlägig verfügbaren Informationen für einen vorsorgeorientierten Umgang mit Wasser und den Umgang mit Extremereignissen zu nutzen. Dabei geben auch die Erfahrungswerte der zurückliegenden Jahre wichtige Anhaltspunkte. So war auch der Winter 2017/2018 überdurchschnittlich warm, und im Februar 2018 waren die Böden außergewöhnlich nass. Ab März 2018 begann dann aber die mehrjährige Dürre, die es in dieser Intensität seit mehr als 160 Jahren so nicht gegeben hat – mit entsprechenden Folgen für den Wasserhaushalt.


Referenzen:

Attinger, S., Marx, A., Boeing, F., Borchardt D. und Teutsch, G. (2024). Über Auswirkungen verschiedener Klimamodellensembles auf Klimafolgenabschätzungen des Wasserhaushalts in Deutschland. Energie-Wasser-Praxis 2, 52 – 56.

Friedrich Boeing et al (2024). Increasing influence of evapotranspiration on prolonged water storage recovery in Germany. Environ. Res. Lett. 19 024047
https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/ad24ce

Sub-seasonal Hydroclimatic Forecasting System:
https://www.ufz.de/index.php?en=47304

UFZ-Expertin und UFZ-Experten

Prof. Dietrich Borchardt, Hydrobiologe, UFZ Magdeburg,
Expertise: Wasserressourcen: Qualität, Quantität und Management, politische Prozesse

Dr. Andreas Marx, Klimawissenschaftler, UFZ Leipzig
Expertise: Klimafolgen, Wasserhaushalt und Extremereignisse, UFZ-Dürremonitor

Prof. Ralf Merz, Hydrologe, UFZ Halle
Expertise: Hydrologische Extremereignisse (Hochwasser, Dürre), Wasserverfügbarkeit

Dr. Christian Siebert, Hydrologe, UFZ Halle
Expertise: Grundwasser, Wasserverfügbarkeit

Prof. Sabine Attinger, Theoretische Physikerin, UFZ Leipzig
Expertise: Umweltsystemmodell

Prof. Luis Samaniego, Hydrologe, UFZ Leipzig
Expertise: hydrologische Modelle

Dr. Karsten Rinke, Gewässerbiologe, UFZ Magdeburg
Expertise: Seen, Wasserressourcen, politische Prozesse

Prof. Dr. Jan Fleckenstein, Hydrogeologe, UFZ Leipzig
Expertise: Grundwasser, Wasserqualität

Prof. Dr. Markus Weitere, Gewässerökologe, UFZ Magdeburg
Expertise: Gewässerökologie

Prof. Michael Rode, Modellierer, UFZ Magdeburg
Expertise: Gewässermodellierung

Dr. Daniel Doktor, Fernerkundler, UFZ Leipzig
Expertise: Waldmodellierung

Dr. Friedrich Bohn, Modellierer, UFZ Leipzig
Expertise: Waldmodellierung

Dr. Mathias Scholz, Auenökologe, UFZ Leipzig
Expertise: Auenökologie, Renaturierung, Bioindikation und Monitoring in Flussauen
 


5. Januar 2024: Hochwasser – Von einem Extrem ins andere!

Der UFZ-Dürremonitor zeigt aktuell, dass es im Oberboden, also in den obersten 25 Zentimetern, derzeit keine Dürre in Deutschland gibt. In Niedersachsen sind beispielsweise die Böden bis in eine Tiefe von 60 Zentimeter nass und vielerorts so hoch mit Wasser gesättigt, dass Niederschläge in den nächsten Tagen zu großen Teilen oberflächlich, das heißt schnell und direkt in die angrenzenden Gräben und Flüsse abfließen werden.

Bundesweit gibt es derzeit nur noch vereinzelte Bereiche mit Trockenheit im Gesamtboden (bis 1,80 Meter Tiefe), dazu zählen insbesondere kleine Areale im Osten Deutschlands, die aufgrund von starken, bodenartbedingten Wasserstaueffekten erklärt werden können. Vorbei ist die Dürre im Gesamtboden zum Beispiel in Niedersachsen. Dort sind die Böden auch bis in zwei Meter Tiefe nass. Nachdem es fünf Jahre lang wesentlich zu trocken war, sind die Böden jetzt sehr nass und teilweise mit Wasser überstaut. Das Ergebnis ist aber keine Normalisierung, sondern eine Entwicklung von einem Extrem ins andere: Von viel zu trocken in viel zu nass.
Die gesamte Bodenwasser- und Grundwassersituation kann im Moment allerdings nicht als gut bezeichnet werden, da zu nass genau wie zu trocken zu erheblichen Folgeschäden bei vielen Nutzungen führt. So wurden die extremwetterbedingten Schäden durch Hitze, Dürre und Hochwasser in einer aktuellen Studie für Deutschland von 2000 bis 2021 auf mindestens 6,6 Mrd. € jährlich geschätzt, mit einer direkten Schadenshöhe von über 114 Mrd. € und mehr als 30 Mrd. € indirekter Schäden.

Durch die gefüllten Wasserspeicher ist die Dürregefahr in diesem Jahr als geringer als in den Vorjahren einzuschätzen. Eine konkretere Vorhersage ist aber nicht möglich. Im Februar 2018 waren die Böden ebenfalls außergewöhnlich nass, ab März folgte dann eine beispiellose Dürre mit Milliardenschäden in unterschiedlichen Sektoren.

Die sogenannte nutzbare Feldkapazität, also die Kapazität des Bodens zur Aufnahme von Wasser (detailliertere Erläuterungen zum Begriff "Feldkapazität" finden Sie auf den Webseiten des UFZ-Dürremonitor unter der Überschrift "Was ist das pflanzenverfügbare Bodenwasser?"), liegt aktuell bei mehr als 100 Prozent. Die Böden sind also an der Oberfläche übervoll, das Wasser kann nicht mehr schnell genug nach unten versickern. In der Folge läuft das Niederschlagswasser nicht in den Bodenspeicher, sondern oberflächennah und damit schnell ab, das heißt direkt in Gräben und Flüsse - und verschlimmert die Hochwasserlage.

Ein weiteres Problem ist die Bodenerosion. Das Wasser in den Flüssen ist braun gefärbt, weil dort Schwebstoffe mitgetragen werden. Sie werden vor allem von fruchtbaren landwirtschaftlichen Flächen in den Einzugsgebieten der Flüsse abgetragen.

Auch für die Wälder haben die nassen Böden Folgen: Weil die Wurzeln der Bäume in einem nassen Boden nicht so gut Halt finden wie in trockenem Boden, drohen diese schon bei leichteren Stürmen schneller umzufallen. 

 Die Grundwasserstände haben sich erholt. Fast alle Grundwasserstände sind deutlich höher als normal, zum Teil wurden neue Grundwasserhöchststände gemessen. In Niedersachsen stehen zum Beispiel fast alle Grundwasserstände mindestens über dem Wert, der in 75 Prozent der Fälle erreicht wird.

Die Talsperren erfüllen multiple Funktionen, bei der Rappbodetalsperre im Harz kommen beispielsweise Hochwasserschutz und Trinkwasserversorgung zusammen. Beide Nutzungen sind gegenläufig und im Talsperrenmanagement nicht einfach unter einen Hut zu bringen - der Hochwasserschutz will leere Becken, die Trinkwasserversorgung volle Becken. In den Dürrejahren war am Ende des Sommers das Wasser knapp. Seitdem sind die Talsperrenbetreiber dafür sensibilisiert, in der feuchten Jahreszeit die Talsperren zu füllen, um deren Speicherfunktion zu nutzen. Für den Hochwasserschutz wird dafür ein sogenannter Hochwasserschutzraum ausgewiesen, der im Falle von Starkniederschlägen zur Hochwasserminderung im Unterlauf genutzt wird. Genau das ist im Harz erfolgt. Dementsprechend und richtigerweise steigt dann der Pegel der Talsperre.

Die Hochwasserprobleme gibt es im Flachland derzeit nicht nur in den großen Fließgewässern, wo alles zusammenfließt, sondern auch in vielen kleineren und mittelgroßen Flüssen. Die Einzugsgebiete, die durch die Talsperren kontrollierbar sind, sind klein im Vergleich zu den Gesamt-Einzugsgebieten, z. B. von Haase, Oker, Leine oder gar Weser, wo es derzeit die großen Überschwemmungen gibt. Die Talsperren haben deshalb hier nur geringen Einfluss, selbst wenn sie ganz leer wären wie zu Beginn des Regens. Sie schützen vor allem die direkt unterliegenden Fließgewässer vor Überschwemmungen.

Wenn die bevorstehenden Niederschläge als Schnee fallen, könnte dies die Hochwassersituation verbessern. Der Schnee speichert die Niederschläge in der Schneedecke und führt nicht sofort zu einem Anstieg unserer Flüsse. Gefrorene Böden können auch zur Stabilität der Deiche beitragen, aber sehr kalte Temperaturen erschweren die Hochwasserschutzarbeiten vor Ort. Entscheidend wird jedoch sein, wie lange die Kälteperiode anhält und ob nach ihrem Ende Tauwetter mit weiterem Regen einsetzt. Solche Regen-auf-Schnee-Ereignisse können, besonders wenn die Flüsse bereits viel Wasser führen, sehr schnell zu einer sehr kritischen Hochwassersituation führen.

 Durch die erheblichen Niederschlagsmengen im Herbst, insbesondere im November 2023, waren die Böden gegen Ende des Jahres kaum noch in der Lage, zusätzlichen Niederschlag aufzunehmen. Die Kombination von Niederschlägen und der Schneeschmelze um die Weihnachtszeit führte dann zu erheblichen Abflussmengen in vielen deutschen Flüssen und resultierte in der aktuellen Hochwasserlage.

Obwohl in zahlreichen Flüssen die historischen Höchststände noch nicht erreicht wurden und Hochwasserschutzdämme bisher kaum überflutet wurden, stellen die anhaltend hohen Wasserstände in vielen Flüssen eine erhebliche Gefahr dar. Einerseits besteht die Gefahr, dass Hochwasserschutzdämme durchnässt und erodiert werden, wodurch ein Bruch droht. Daher sind eine kontinuierliche Überwachung und Stabilisierung oder die Schaffung von Entlastungs- bzw. neuen Retentionsräumen unerlässlich. Andererseits können stark steigende Grundwasserstände zu feuchten Kellern und Stabilitätsproblemen feuchter und nasser Wände und Holzkonstruktionen führen.

Historisch betrachtet haben solche Bedingungen bereits häufig zu Hochwasserereignissen geführt - gerade auch in den aktuell betroffenen Regionen in der Mitte Deutschlands in den letzten 50 Jahren. Im Gegensatz dazu wurde das Ahrhochwasser 2021 durch sehr intensive Starkregenereignisse innerhalb weniger Tage ausgelöst und zeichnete sich durch einen rapiden Anstieg des Wasserstandes und extrem hohe Abflüsse in der Ahr aus.
Besonders bemerkenswert an der aktuellen Hochwassersituation ist die enorme räumliche Ausdehnung mit Hochwasserwarnungen in nahezu allen Bundesländern. Eine vergleichbar großflächige Hochwassersituation ereignete sich beispielsweise im Februar 1970, mit Hochwasserereignissen von Bayern bis zur Nordseeküste.

Hochwasserschutz sollte stets eine Kombination verschiedener Maßnahmen darstellen. Zunächst müssen betroffene Bürger umfassend informiert sein und wissen, wie sie sich im Ernstfall schützen können. Hierzu gehören zuverlässige Hochwasservorhersagen und effektive Hochwasserwarnungen, die die betroffene Bevölkerung auch erreichen, und gut ausgebildete Entscheidungsträger, die die richtigen Maßnahmen treffen. Dass dies auch in Deutschland nicht immer funktioniert, wurde beim Ahrhochwasser deutlich.

Des Weiteren bedarf es einer Neubewertung technischer Hochwasserschutzmaßnahmen. Aufgrund des Klimawandels ist mit einer Zunahme von Hochwasserereignissen und dem Auftreten von Hochwässern in Flussgebieten zu rechnen, die in den vergangenen Jahrzehnten von größeren Hochwässern verschont blieben. Auch werden Hochwässer auftreten, die sich in Dauer, Geschwindigkeit und Höhe des Wasseranstiegs deutlich von ihren historischen Vorgängern unterscheiden. Erfahrungen aus der Vergangenheit werden nicht immer reichen, um auf die zukünftig veränderte Hochwasserbedingungen gut vorbereitet zu sein. Angesichts der Tatsache, dass mehr als zwei Drittel der natürlichen Retentionsräume verlorenen gegangen sind, sind insbesondere identifizierte Potenziale für einen naturnahen Hochwasserschutz zu nutzen (siehe auch: https://www.bfn.de/publikationen/bfn-schriften/bfn-schriften-489-potenziale-zur-naturnahen-auenentwicklung). So zeigte sich in Studien des Umweltbundesamts (UBA) und der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) zum Nationalen Hochwasserschutzprogramm, dass solche Maßnahmen einen maßgeblichen Beitrag zur Absenkung des Scheitels von Hochwassern an den großen Flüssen leisten. Er liegt für viele der modellierten Hochwasserereignisse in den Einzugsgebieten von Elbe, Donau und Rhein zwischen 10 und 50 cm (siehe auch: https://www.umweltbundesamt.de/node/87251/ oder https://www.bafg.de/DE/Service/presse/2021-05-26_NHWSP.html).

In letzter Konsequenz muss auch geprüft werden, ob alle Siedlungen ausreichenden Hochwasserschutz bieten, ob in gefährdeten Gebieten noch weiter gebaut werden darf oder langfristig sogar eine Rücknahme von Bebauungen bei extremem Hochwasserrisiko in Betracht zu ziehen ist.

Ein weiterer Schwerpunkt sollte darauf liegen, den Hochwasserschutz im Kontext des Landschaftswasserhaushaltes neu zu überdenken. Die Begradigung und Kanalisierung von Flüssen und Bächen, der Verlust von zwei Dritteln unserer ursprünglichen Flussauen und Überflutungsflächen an deutschen Flüssen sowie die Trockenlegung von Feldern und Mooren durch Drainagen führen dazu, dass Niederschläge schnell durch unsere Gewässer abfließen. Um nicht nur Hochwasser effektiver zu bekämpfen, sondern auch besser auf Perioden von Wassermangel vorbereitet zu sein, müssen wir Wasser länger in der Landschaft halten. Hierfür sind mehr multifunktionale Retentionsflächen, ausgedehntere Flussauenräume, intakte Auwälder und Moore, angepasste landwirtschaftliche Praktiken und innovative Konzepte zum Umgang mit Wasser in unseren Städten erforderlich.

Einen hundertprozentigen Hochwasserschutz wird es nicht geben. Das ist finanziell und technisch nicht machbar und von der Landschaft nicht umrüstbar.

UFZ-Expertin und UFZ-Experten

Prof. Dietrich Borchardt, Hydrobiologe, UFZ Magdeburg,
Expertise: Wasserressourcen: Qualität, Quantität und Management, politische Prozesse

Dr. Andreas Marx, Klimawissenschaftler, UFZ Leipzig
Expertise: Klimafolgen, Wasserhaushalt und Extremereignisse, UFZ-Dürremonitor

Prof. Ralf Merz, Hydrologe, UFZ Halle
Expertise: Hydrologische Extremereignisse (Hochwasser, Dürre), Wasserverfügbarkeit

Prof. Sabine Attinger, Theoretische Physikerin, UFZ Leipzig
Expertise: Umweltsystemmodell

Dr. Karsten Rinke, Gewässerbiologe, UFZ Magdeburg
Expertise: Seen, Wasserressourcen, politische Prozesse

Dr. Mathias Scholz, Auenökologe, UFZ Leipzig
Expertise: Auenökologie, Renaturierung, Bioindikation und Monitoring in Flussauen